DIE ZWEI SÄULEN DER ESSSTÖRUNGSTHERAPIE.

„Die Gewichtszunahme ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts“ meint einen zentralen Baustein unserem Essstörungstherapieprogramm. Bei den Anorexie Patientinnen bedeutet dies die Gewichtszunahme bis zur Normalisierung mit dem Wiedereintreten der spontanen Periodenblutung (zumindest bei den jüngeren Patientinnen), auch wenn wir dies nicht - wie es aber gut wäre - in einem Schritt, bzw. in einem stationären Aufenthalt schaffen. Ohne die Gewichtsnormalisierung werden sich auch die medizinischen und psychischen Folgen des Hungerns nicht normalisieren, so dass diese immer störend in jede Art von Psychotherapieprozess – wie er auch immer gestaltet sein mag – eingreifen. Wir werden dieses Ziel aber in letzter Konsequenz nur in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen selbst, deren Angehörigen und allen wichtigen weiteren Beteiligten/Behandlern erreichen können; Zwangsmaßnahmen können damit vermieden werden; dazu darf es nicht kommen und man braucht sie auch nicht, wenn frühzeitig, oft und lange genug essstörungsspezialisiert behandelt wird.

Die Essstörungstherapie ruht heute auf 2 Säulen: 

1. Die Essplan gestützte Wiederernährung zur Gewichtszunahme - oder zum Gewichthalten im    Normalgewichtsbereich - und zur Normalisierung des Ess- Trink- und Bewegungsverhaltens.

2. Die zweite Säule ist der störungsspezifische Psychotherapieprozess mit der Auseinandersetzung und in Folge    Veränderung der Faktoren, die die Essstörung verursachen und aufrechterhalten.

Beide Therapieprinzipien setzen wir von Anfang an und parallel ein. Sie sind als gleich wertig und gleich wichtig anzusehen, sind miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig. Wir Therapeuten sind uns darüber im Klaren, dass die Wiederernährung bzw. Symptomaufgabe oft auch gegen den zumindest anfänglichen Widerstand der Patientinnen und Patienten durchgesetzt werden muss, es aber gleichzeitig ohne die Entwicklung einer Zusammenarbeit mit ihr/mit ihm auch nicht erfolgreich sein kann. Deshalb treten von Anfang an Konflikte und Auseinandersetzungen zwischen Patientinnen/Patienten und Personal auf, die konstruktiv und die Betroffenen schützend ausgetragen werden müssen. Das Verständnis für diese Abläufe und der professionelle Umgang damit (ohne dass wir uns in Machtkämpfen aufreiben und die Patientinnen/Patienten aus dem Kontakt verlieren) sind wiederum Teil des störungsspezifischen Psychotherapieprozesses, der viel (klärenden, Halt und Sicherheit gebenden) Kontakt, Transparenz und Offenheit braucht. Wesentlich wird dabei für alle Beteiligten sein, dass sie unterscheiden zwischen Patientin/Patient und Problem in dem Sinne:

»DIE PATIENTIN/DER PATIENT HAT EIN PROBLEM UND NICHT DIE PATIENTIN/DER PATIENT IST DAS PROBLEM.«